Interview mit Oliver Holschke und Marc Geitz
Quantencomputer könnten dank ihrer immensen Rechenfähigkeiten schon in wenigen Jahren die heutige Datensicherheit im Internet aushebeln. Um die Möglichkeiten und Gefahren der rasant wachsenden Quantentechnologien zu erforschen, hat die Deutsche Telekom ein „Quantum Lab“ eingerichtet. Oliver Holschke und Marc Geitz erklären die Ziele hinter diesem Projekt.
Seit einiger Zeit schon heißt es, dass Quantencomputer die gängigen Verschlüsselungsverfahren im Internet, wie hinter „https“, angreifen können. Müssen wir uns gegenwärtig Sorgen machen?
Marc Geitz: Im Augenblick definitiv noch nicht, dafür sind Quantencomputer schlicht noch nicht fortgeschritten genug. Es ist technologisch sehr schwer, einen Quantencomputer mit ausreichend vielen Quantenbits zu bauen, der halbwegs fehlerfrei funktioniert. Aber man rechnet damit, dass im kommenden Jahrzehnt, oder vielleicht schon etwas früher, tatsächlich ein entsprechend leistungsstarker Quantencomputer zur Verfügung steht. Das wäre dann in der Tat eine Bedrohung nicht nur für unsere Emails, sondern auch für Patientendaten, Online-Banking, E-Commerce und vieles mehr.
Wie kann ein Unternehmen wie die Deutsche Telekom sich in diese technologischen Entwicklungen mit einbringen?
Oliver Holschke: Schon vorletztes Jahr haben wir unser „Quantum Lab“ eröffnet. Das besteht im Wesentlichen aus einem Netzwerk aus dunkler Glasfaser, welches sich über mehrere 100 Kilometer durch Berlin zieht und zukünftig auch deutschlandweit erweitert werden soll. Das wird somit ein einzigartiger Enabler von Spitzenforschung sein. Mit dem Quantum Lab wollen wir einerseits die Kompetenzen im Bereich der Quantentechnologien in unserem Konzern bündeln. Andererseits bieten wir auch externen Gruppen die Möglichkeit zu Experimenten. So können etwa Universitätsgruppen ausprobieren, wie sich ihre Ideen zur Quantenkommunikation in unseren realen Telekommunikationsnetzen umsetzen lassen. Ein solcher Realitätsbezug ist in rein universitären Laboren kaum machbar.
Wie werden diese Möglichkeiten angenommen?
Marc Geitz: Neulich haben sogar gleich drei Uni-Teams unser Quantum Lab in Beschlag genommen. Wir freuen uns, dass unser Angebot so guten Anklang findet. Aber wir führen auch Versuche mit Konsortialpartnern aus den großen deutschen Forschungsverbünden durch, an denen auch Industriepartner beteiligt sind.
Oliver Holschke: Als Netzbetreiber sind wir der ideale Ansprechpartner für derartige Experimente. Bei der sogenannten Quantenschlüsselverteilung geht es zum Beispiel darum, sich die Gesetze der Quantenphysik zunutze zu machen, um quasi perfekt sichere Schlüssel zwischen zwei Parteien auszutauschen. Solche Schlüssel lassen sich dann auch mit einem Quantencomputer nicht angreifen. Dazu waren wir im Projekt „OpenQKD“ involviert und boten sozusagen die deutsche Testumgebung an.
Marc Geitz: Aber wir sind auch anderweitig engagiert. Im Konsortium „QUTAC“ geht es darum, Quantencomputing für industrielle Anwendungen fit zu machen. Und bei „PlanQK“ ging es um quantenunterstützte Künstliche Intelligenz. Auf diesen Gebieten ist zwar noch viel Grundlagenarbeit notwendig. Aber Deutschland tut gut daran, hier gleich von Anfang an mitzumischen – und zwar sowohl vonseiten der Forschungsinstitute als auch vonseiten der Industrie.
Welche Rolle spielen dabei Events wie „Berlin Quantum Pioneer“ für Sie?
Oliver Holschke: Dieser Event hatte eine schöne thematische Auswahl und auch einige internationale Gäste. So gab es Teilnehmer aus Chile, mit denen wir uns austauschen konnten. Das ist gut, um ganz neue Sichtweisen kennen zu lernen und in angenehmer Atmosphäre neue Kontakte zu knüpfen.
Marc Geitz: Bei rein deutschen Events kennt man sich nach einer Weile, deshalb ist es immer gut, aus der eigenen Blase herauszukommen. In der Quantenforschung haben wir in Deutschland mit seinem stark föderalen System auch mehrere regionale Verbünde, die eigene Schwerpunkte setzen. Das ist einerseits eine Stärke, sorgt aber andererseits auch für eine gewisse Fragmentierung. Nun ist unsere Erfahrung, dass die Leute immer gerne zu Konferenzen in die Hauptstadt kommen. Deshalb wünsche ich mir eigentlich hier in Berlin eine regelmäßige, große Quantenkonferenz, bei der die wichtigen Akteure zusammenkommen können.
Oliver Holschke: Das wäre in der Tat wünschenswert! Es gibt ja neben dem Quantencomputing und der Quantenkryptographie weitere Anwendungsgebiete, die bereits näher an der industriellen Anwendung sind – insbesondere die Quantensensorik. Auch hier sind von Uni-Gruppen bis hin zu Fraunhofer-Instituten und Industriepartnern alle möglichen Akteure beteiligt. Wir gehen davon aus, dass hier schon bald interessante Anwendungen auf den Markt kommen.
Aber Ihre Arbeit wird stärker im Bereich der Quantenkommunikation liegen?
Marc Geitz: Mit unserem Quantum Lab haben wir eine besondere Infrastruktur, die wir künftig weiter ausbauen wollen und die sich natürlich besonders für Experimente im Bereich Quantenkommunikation eignet. Aber wir strecken unsere Fühler in verschiedene Richtungen aus. Im Augenblick entsteht ja ein ganzes „Quanten-Ökosystem“, bei dem noch nicht ganz klar ist, welche Zweige sich am besten weiterentwickeln werden. Es ist auf jeden eine spannende Zeit, hier am Puls des Fortschritts dabei zu sein.
Das Interview wurde durch Berlin Partner im Rahmen von BERLIN QUANTUM in Auftrag gegeben und von Dirk Eidemüller, Thoss Media GmbH durchgeführt.