Innovationsforum Photonische Quantentechnologien startet in Berlin-Adlershof
Gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung BMBF kommen in dem neuen Innovationsforum Akteure aus Forschung und Industrie zusammen, um die vorhandene Expertise bei Quantentechnologien besser für den Know-How-Transfer nutzbar zu machen. Im Interview erklärt der Projektleiter Dr. Markus Krutzik was bei den Quantentechnologien schon heute machbar ist.
optiMST: Herr Krutzik, alle reden von Quantentechnologien, können Sie als Fachmann mal in zwei, drei Sätzen erklären, was damit eigentlich gemeint ist?
Quantentechnologien sind eine neue Generation von optischen und elektronischen Geräten, die auf Quanteneffekten, zum Beispiel auf der präzisen Manipulation der quantenphysikalischen Eigenschaften von Atomen oder Lichtteilchen, den Photonen, basieren. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von der zweiten Quantenrevolution. Zur ersten Quantenrevolution zählen wir bekannte Technologien wie beispielsweise den Laser oder Transistoren, die wir alle selbstverständlich in unserem Alltag nutzen. Fast in jeder Elektronik spielen diese etablierten Technologien eine zentrale Rolle.
Der Unterschied ist, dass wir nun Quantenzustände, beispielsweise elektronische Zustände von Atomen oder auch Molekülen, aktiv präparieren, gezielt manipulieren und auslesen. In der zweiten Quantenrevolution nutzen wir Prinzipien wie Superposition oder Verschränkung derartiger Zustände. Das sind quantenphysikalische Konzepte, die in der Öffentlichkeit noch nicht stark verankert sind. Daher haben wir nun auch die Aufgabe, diese Ideen und Konzepte besser zu erklären und deren gesellschaftliche Relevanz zu verdeutlichen.
Denn die neuen Quantentechnologien besitzen sehr viele Anwendungsgebiete. Als Beispiel würde ich die abhörsichere Datenübertragung nennen. Oder Quantencomputer, deren Leistungsfähigkeit die klassischer Systeme weit übersteigen wird, optische Atomuhren für zukünftige globale Navigationssatellitensysteme und Quantensensoren für die Vermessung wirklich schwächster Kräfte und Felder.
Dadurch, dass die Technologien ein so großes Potential haben, werden sie ja nicht nur von der Wissenschaftsgemeinde als zentrale Zukunftstechnologie gesehen, sondern auch von der Bundesregierung als eine der Schlüsseltechnologien, deren Entwicklung und Erforschung es laut Koalitionsvertrag von 2018 intensiv zu fördern gilt.
optiMST: Wo sehen Sie bei diesen ganzen Technologien Projekte, die schon in wirklich greifbarer Zukunft, in sagen wir zwei bis drei Jahren zu Produkten führen werden?
Den größten Reifegrad haben meiner Einschätzung nach Technologien für die Quantenkommunikation und die Quantensensorik. Die Quantenschlüsselübertragung ist in Sicherheitsfragen hochrelevant und teilweise in kleinen Nischenmärkten schon im Einsatz. Beispielsweise bei Banken und bei Regierungen. Das sind gegenwärtig natürlich noch sehr, sehr kleine Nutzerkreise. Dennoch, bei den Schlüsselkomponenten und bei der Systemkompetenz sind wir hier in Deutschland auf wissenschaftlicher, aber auch auf kommerzieller Seite im internationalen Vergleich sehr gut aufgestellt, um zukünftig wachsende Märkte zu bespielen.
Die Quantensensorik ist mein Arbeitsgebiet und ein riesiges Feld: Ob kleinste elektrische und magnetische Felder, Beschleunigungskräfte oder die Frequenz atomarer Übergange, es gibt viele physikalische Größen, die wir mit Quantentechnologien präzise vermessen können. Dafür gibt es teilweise schon sehr kompakte Apparaturen, die nicht nur im Labor, sondern auch mobil eingesetzt werden können.
Solche miniaturisierten Geräte sind relevant für verschiedene Anwendungsbereiche: Neben fundamentalphysikalischen Fragestellungen sind das Anwendungen im Bereich Sicherheit, Navigation, Rostoff-Exploration und als Zeitreferenzen. Besonders spannend ist für mich, dass wir einige Bausteine solcher Technologien schon erfolgreich im Weltraum demonstrieren konnten. Durch diesen Reifegrad haben wir eine sehr gute Ausgangsposition für den Technologietransfer auch in industrielle, erdgebundene Anwendungen.
In der Sensorik werden ebenfalls bereits kleinere Märkte bespielt. Beispielsweise bei Atominterferometern zur Vermessung der lokalen Erdbeschleunigung. Da sind die ersten Produkte kommerziell verfügbar. Kunden sind nationale Geoforschungsstationen, die präzise und langzeitstabil die Veränderung des Schwerefelds der Erde vermessen möchten. Noch sind aber entsprechende Produkte zu groß und zu teuer. Aber es gibt ein riesiges Potenzial zur Miniaturisierung, insbesondere durch die Entwicklung integrierter, elektro-optischer Systeme. Letzteres ist ein Schwerpunkt dem wir hier am Standort nachgehen.
optiMST: An welchen Projekten arbeiten sie denn selber?
Ich leite das „Joint Lab Integrated Quantum Sensors“. Joint Lab bezieht sich auf eine gemeinsame Arbeitsgruppe des Ferdinand-Braun-Instituts, Leibniz-Institut für Höchstfrequenztechnik (FBH) und der Humboldt-Universität zu Berlin (HU). Von FBH-Seite kommt dabei das Know-How bei der Technologieentwicklung für miniaturisierte photonische Komponenten und Subsysteme. An der HU integrierten wir die Komponenten zu Systemen und erforschen damit sowohl fundamentale Fragestellungen als auch konkrete für den Alltag relevante Anwendungsszenarien. Das passt wunderbar zusammen, denn wenn wir letztendlich einen Quantensensor für die Raumfahrt entwickeln möchten, dann beginnt die Technologieentwicklung bei der kleinsten Komponente und endet bei der Verifikation der Funktionsweise des Systems beispielsweise auf einer Höhenforschungsrakete.
Im Joint Lab arbeiten wir an verschiedenen, teilweise interdisziplinär ausgelegten Verbundvorhaben. In enger Kooperation mit Ingenieuren, Physikern, Elektrotechnikern und Softwarespezialisten konnten wir wichtige Meilensteine auf dem Weg zu komplexen optischen Systemen für metrologische Anwendungen in anspruchsvollen Weltraummissionen erreichen. Unter anderem konnten wir erste optische Frequenzreferenzen auf Basis frequenz-stabilisierter Diodenlaser entwickeln und auch Sensoren autonom im Weltraum demonstrieren, welche die Interferenz von Materiewellen nutzen.
optiMST: Kürzlich haben Sie auch ein „Innovationsforum Photonische Quantentechnologien“ gestartet. Was hat es damit auf sich?
Die Innovationsforen Mittelstand sind ein Programm des BMBF, bei dem sich Akteure aus Wirtschaft und Forschung gemeinsam zu einem Thema mit hohem Innovationspotential formieren können. Das FBH hat das Innovationsforum Photonische Quantentechnologien beantragt, um einen regionalen Schwerpunkt mit Forschungseinrichtungen und Firmen in Berlin und Brandenburg zum Thema photonische Quantentechnologien zu initiieren. Das Forum soll den Austausch fördern und es Unternehmen ermöglichen, eine fundierte Bewertung der Potentiale und Applikationen dieses Technologiefelds vorzunehmen.
Die Bündelung der vorhandenen Expertisen hier in Berlin-Adlershof mit dem FBH, der Humboldt-Universität, den weiteren Forschungseinrichtungen und regionalen KMUs, die in den Bereichen Halbleiterlaser, mikrooptische System und hybride Integration sehr aktiv sind, macht das Forum einzigartig. Es ist hier sehr gut angesiedelt.
optiMST: Warum ist das Thema Quantentechnologie so wichtig für Berlin?
Das Forum soll den Grundstein für ein regionales Netzwerk bilden. Das Thema Quantentechnologien passt hervorragend in die gemeinsame Innovationsstrategie der Länder Berlin und Brandenburg, da das Cluster Optik und Photonik bereits eines der fünf zentralen Technologiecluster ist, die besonders relevant für die regionale Wissenschaft und Wirtschaft sind.
Mit der Quantentechnologie haben wir die Chance, ein weiteres konkretes Anwendungsfeld in Synergie mit den photonischen Technologien zu erschliessen und damit die Schwerpunktaktivitäten der Region um eine zentrale Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts zu erweitern. Das ist ein sehr guter Ansatz für die zukünftige Kommerzialisierung von innovativen Messtechnik und kompakter Sensorik auf der Basis von Quanteneffekten.
optiMST: Sehr cool. Inzwischen sind sie vom Magazin Capital auch zu der “Junge Elite – die Top 40 unter 40" gewählt worden. Wie fühlt sich sowas für einen Physiker an?
Das ist eine große Freude und Ehre, Teil dieser beeindruckenden Gruppierung zu sein. Eine wunderbare Auszeichnung auch für den Standort Berlin-Adlershof, in dem optische Technologien und Quantentechnologien jetzt schon einen sichtbaren Schwerpunkt darstellen. Für mich natürlich ganz besonders spannend über diesen Weg die Möglichkeit zu haben, mich mit Akteuren und Stakeholdern aus den Bereichen der Wirtschaft und der Industrie zu vernetzen, denen ich sonst auf meinen Fachkonferenzen ja gar nicht begegnet wäre. Eine der großen Herausforderungen im Bereich der Quantentechnologien ist der erfolgreiche und nachhaltige Technologietransfer von wissenschaftlichen Einrichtungen in die Industrie. Und aus dieser Sicht kam diese Auszeichnung und die Möglichkeit in diesem Netzwerk zu partizipieren genau zum richtigen Zeitpunkt.
Das Interview führte Dr. Andreas Thoß
VITA
Dr. Markus Krutzik leitet eine Gruppe zu atomaren Quantentechnologien für die Sensorik und Metrologie an der Humboldt-Universität zu Berlin (AG Optische Metrologie, Prof. Peters, Ph.D.) und gleichzeitig das Joint Lab Integrated Quantum Sensors, das gemeinsam vom Ferdinand-Braun-Institut, Leibniz Institut für Höchstfrequenztechnik (FBH) und der Humboldt-Universität zu Berlin (HU Berlin) betrieben wird
Der Physiker hat 2014 an der Humboldt-Universität zu Berlin promoviert und u.a. an der University of California, Berkeley, und dem NASA Jet Propulsion Laboratory, Pasadena geforscht. Er wurde mit dem Adlershofer Dissertationspreis 2014 ausgezeichnet und von der Zeitschrift Capital im vergangenen Jahr zu den Top 40 unter 40 im Bereich Wissenschaft und Gesellschaft gewählt.
Kontakt:
Humboldt-Universität zu Berlin
Institute für Physik
phone: (+49)30 2093 4814
E-Mail: markus.krutzik@physik.hu-berlin.de
Ferdinand-Braun-Institut
Leibniz-Institut für Höchstfrequenztechnik
phone: (+49)30 6392 2594
E-Mail: markus.krutzik@fbh-berlin.de
Bild 2: Berliner Quantentechnologie im Weltall: Das JOKARUS-Experiment (Jod Kamm Resonator unter Schwerelosigkeit) ist schon 2018 in den Weltraum geflogen. Es demonstrierte einen kompakten und robusten optischen Frequenzstandard als Pfadfindertechnologie für den zukünftigen Einsatz in globalen Satellitennavigationssystemen
Bild 3: Schon im Januar 2018 ist dieses miniaturisierte Lasermodul in den Weltraum geflogen (MAIUS Mission) um Atomwolken mittels Laserlicht zu kühlen und interferometrisch zu untersuchen