Das Smartphone als Mikroskop

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Die Oculyze GmbH – ein Start-up aus Wildau – hat ein neues System für die mobile Mikroskopie entwickelt. Smartphone, ein optisches Modul und eine Verbindung ins Internet genügen, um das Labor in die Tasche zu stecken. Die Bildanalyse selbst erfolgt dank spezieller Software ganz automatisch.

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Ocuylze, Foto: Ute Sommer

Das Ziel war klar: „Wir wollten das Mikroskop klein und mobil machen“, sagt Kilian L. Moser, einer der Geschäftsführer der Oculyze GmbH in Wildau. Das Team des Start-ups hat an einigen Alternativen getüftelt: Systeme für Laptop oder Tablet. Letztlich ist es das Smartphone geworden. Das mobile Gerät, das nahezu jeder überall mit sich trägt. Und außerdem: „Smartphone Mikroskopie – das klingt doch ganz cool“, meint Moser mit einem Augenzwinkern.

Rund zwei Jahre Entwicklungsarbeit stecken im Oculyze Mikroskop. Es besteht aus einem abnehmbaren optischen Modul für das Smartphone und einer cloudbasierten Bilderkennungssoftware. Derzeit kann es genutzt werden, um die Konzentration von Hefezellen beim Bierbrauen zu analysieren. Das ermöglicht es den Herstellern, die Qualität des Brauprozesses zu kontrollieren. Rund um die Uhr und in Echtzeit. Denn die Analyseergebnisse liegen innerhalb weniger Sekunden vor. Das System ist einfach zu handhaben. Die entnommene Probe wird auf einen Objektträger aufgebracht und im optischen Modul fixiert. Das Mikroskop bringt eine 400-fache Vergrößerung. Mithilfe einer App wird das vergrößerte Bild auf dem Smartphone dargestellt. Per WLAN oder mobiler Funkverbindung gelangen die Daten zu den Servern der Oculyze GmbH. Dort beginnt die automatisierte Bildanalyse. In Sekundenschnelle werden die Ergebnisse an den Nutzer gesendet.

Wie genau das Minimikroskop auf dem Smartphone funktioniert, verraten die Gründer der Oculyze GmbH nicht. „Das ist unsere Neuentwicklung“, sagt Dr. Katja Schulze, die im Team die Expertin für die Bilderkennung ist. Man habe eine alte Methode wiederbelebt und mit den technischen Möglichkeiten eines Smartphones kombiniert. Es sei gelungen, die Komplexität zu reduzieren. So konnte das optische Modul sehr klein gehalten werden, ohne die Analysequalität zu beeinträchtigen. Den Hefe-Zellzähler haben die Wildauer gemeinsam mit drei renommierten Berliner Brauereien und der Versuchs- und Lehranstalt für Brauerei in der Bundeshauptstadt entwickelt und erfolgreich getestet.

heightDas Team von Oculyze, einem aus der Abteilung „Molekularbiologie und funktionelle Genomik“ an der Technischen Hochschule Wildau hervorgegangenen Start-up, hat in den vergangenen Monaten eine rasante Entwicklung genommen. Die Wildauer Idee, der Mikroskopie Beine zu machen, wurde ab November 2015 mit einem Exist-Gründerstipendium aus dem Fördertopf des Bundeswirtschaftsministeriums unterstützt. Das gab dem vierköpfigen Team und seinem Mentor Prof. Dr. Marcus Frohme an der TH Wildau die Möglichkeit, die eigene Entwicklung bis zum Prototypen voranzutreiben.

Punktzehn/Ulrich Löser, Foto (v.l.): Martin Kluth, Dr. Ulrich M. Tillich, Kilian L. Moser, Dr. Katja Schulze

Zugleich beteiligte sich das Start-up am BPW Businessplan Wettbewerb Berlin-Brandenburg 2016. Mit Erfolg. In der zweiten Stufe des Wettbewerbs erreichte Oculyze Platz 1 in der Kategorie „BPW Plan“.&nbsp In der finalen Phase des Businessplan Wettbewerbs wurde es dann noch einmal der zweite Platz. Hinzu kommen Erfolge bei der Langen Nacht der Startups und bei Science 4 Life, dem größten Businessplan Wettbewerb für Life Science. Bis Ende Januar 2017 wird das Unternehmen seine Anschlussfinanzierung für die nächsten 24 Monate sichern und damit beginnen, Stellen für das Wachstum der Firma zu schaffen.

Modul und App von Oculyze gibt es bisher für das Smartphone LG-4. Doch das sei erst der Anfang der Reise, betont Geschäftsführer Moser. Jetzt stünden die Entwickler von Oculyze vor der Aufgabe, das System für alle Smartphone-Typen und Tablets fit zu machen – auch für die von Apple. Außerdem will sich das Unternehmen weitere Märkte eröffnen. Moser denkt beispielsweise an den Einsatz der Smartphone Mikroskopie in der Human- und auch Veterinärmedizin oder im Umweltbereich. Als neuer Kooperationspartner in der Region konnte das Institut für Fortpflanzung landwirtschaftlicher Nutztiere in Schönow IFN gewonnen werden. Zusammen will man einen Test für Entzündungen der Gebärmutter bei Kühen entwickeln. Natürlich wieder smartphonebasiert und mit automatisierter Bilderkennung. Das wäre ein interessantes Angebot für Tierhalter. Bisher sind diese Tests umständlich und für die Betriebe aufwändig. Daher würden sie auch zu selten gemacht, erklärt Moser. Diese Hemmschwelle würde ein vereinfachtes Verfahren senken. Das wäre ein Plus für die Tiergesundheit.

In der Humanmedizin könnten vor allem Entwicklungsländer vom Smartphone Mikroskop profitieren, so die Überlegungen der Wildauer. Mit ihrem Produkt kämen Laborleistungen sogar bis in entlegene Regionen mit lückenhafter medizinischer Versorgung.

Das Unternehmen aus Wildau will weiter wachsen. Für die anstehenden Entwicklungsarbeiten sollen neue Leute eingestellt werden. Außerdem hofft Geschäftsführer Moser darauf, Partner für den Vertrieb der Wildauer Entwicklung und die Serienproduktion des optischen Moduls zu finden. Aber: „Wir verdienen das Geld nicht mit der Hardware, sondern mit den Analysen, für die wir eine Plattform bieten“, betont der Betriebswirt. Das Credo des 32-Jährigen: „Man kann nicht warten. Man muss sich immer weiter entwickeln.“ Neue Produktfeatures, die auf Kundenwünsche abgestimmt sind, neue Vertriebskanäle, weitere Kooperationspartner. Die Wildauer haben einiges vor.

„Mittlerweile kommen schon Anfragen von potenziellen Kunden, ob das Smartphone Mikroskop nicht auch bei ihnen eingesetzt werden könnte“, berichtet Dr. Katja Schulze. Ihre Dissertation über&nbsp die automatisierte Bilderkennung bei Gewässerproben zum Nachweis von Phytoplankton gab den Anstoß zur Gründung von Oculyze.&nbsp Von der großen Resonanz des Smartphone Mikroskops ist die 31-Jährige überrascht. Sie ist gespannt auf die weitere Entwicklung, die die Firma nehmen wird. Erfolg bedeutet für die Biosystemtechnikerin und Bioinformatikerin „ein gut laufendes Unternehmen, in dem das Team Spaß an der Arbeit hat und das vernünftige Umsätze macht“.

Das Portrait wurde erstellt von Ute Sommer.

Kontakt:
Dr. Katja Schulze / Kilian L. Moser
Oculyze GmbH
Telefon: +49 3375 508-753
E-Mail: kmoser@noSpamoculyze.de
Internet: www.oculyze.de